Eine Wirklichkeit muss wissenschaftlich beweisbar sein, sonst ist sie nur ein Trugbild, eine Einbildung. Darin liegt unsere heutige Auffassung von Wirklichkeit begründet und wir bemerken meist gar nicht, daß wir einem Vorurteil aufsitzen, das uns vergessen lässt, daß es auch andere Wirklichkeiten gibt. Unterschiedliche Farbwirklichkeiten, wie z. B. Goethes und Newtons Farbenlehre, die traditionelle chinesische Medizin im Vergleich zur westlichen, die verschiedenen Wirklichkeiten in der japanischen Rashomon-Erzählung, die magischen und schamanistischen Praktiken in Griechenland und im Orient bis hin zu totalitären Wirklichkeiten. Diese und andere Beispiele machen deutlich, daß die vermeintliche Sicherheit, die Wirklichkeiten oft ausstrahlen, immer nur eine Illusion ist. Eine absolute Wirklichkeit gibt es nicht - nicht im Glauben, nicht in der Kultur und nicht in der Wissenschaft.
Gerhard Fasching, geb. 1933 in Wien, Diplom-Ingenieur u. Dr. techn., war von 1970 bis 2002 Ordinarius an der Technischen Hochschule Wien. Vorlesungen über Aufbau und Eigenschaften der Materie und über Fragen der Erkenntnistheorie.